Ich sehe black: Weihnachtliche Shoppingwut & Werte

Black

Nun gut, ich kann ja verstehen, dass die Amerikaner den „Black Friday“, den arbeitsfreien Brückentag nach Thanksgiving, traditionell für ihre Weihnachtseinkäufe nutzen und sich die dortige Wirtschaft glänzend darauf eingestellt hat. Aber was haben wir in Europa damit zu tun – und warum spielen nicht nur die Geschäfte verrückt, sondern auch noch die Medien, die mit jeder Menge Artikeln den Shoppingwahn weiter anheizen?

Die Sache mit den Geschenken…

Konsumfeste wie Weihnachten stellen so manchen nachhaltig oder minimalistisch denkenden Menschen (wie z.B. Dina im Blog liebevoller leben, die mich heute inspiriert hat) vor einige Probleme. Das fängt bei sinnlos gekauften / bekommenen Geschenken an und endet bei der Orgie an Verpackungsmüll (zu der ich ja letztes Mal schon versucht habe, Alternativen zu finden). Was mir auch noch Sorgen bereitet, ist Folgendes:

Was vermitteln wir unseren Kindern, wenn wir sie zu Weihnachten Geschenke im zweistelligen Bereich öffnen lassen?

Habt ihr das schon mal erlebt bzw. könnt ihr euch selbst noch dran erinnern? Heiligabend, der Tannenbaum ist geschmückt, die Familie sitzt zusammen, die Bäuche mit dem Weihnachtsessen gefüllt. Die Kinder kann man kaum sehen, weil sie in dem Berg aus bunt verpackten Geschenken kaum auffallen! Da sind schon alle Erwachsenen fertig mit aufpacken, da stapeln sich vor den Kindern immer noch Geschenke. „Na pack doch mal weiter aus“, sagt dann vielleicht noch die Oma, wenn sie nicht in Erinnerung an ihre eigenen kindlichen Weihnachtserlebnisse angesichts dieses Überflusses die Hände über den Kopf zusammenschlägt.

Irgendwann sehen wir den Baum vor Geschenken nicht mehr.
Irgendwann sehen wir den Baum vor Geschenken nicht mehr.

Mir waren zu viele Geschenke schon als Kind immer peinlich. Mein Gerechtigkeitssinn war stark ausgeprägt, der Kuchen sollte möglichst gleich verteilt werden. Je mehr die Erwachsenen mir schenkten, desto mehr bastelte und baute ich eigenhändig Geschenke, um mich revanchieren zu können. Letztlich machte schenken immer mehr Spaß als bekommen.

Gibt’s noch mehr?

Zurück zum Heute, wo ich auf der anderen Seite der Rollenverteilung sitze. Trotz dass wir Eltern unserem Kind nur ein Geschenk schenkten im letzten Jahr, war es Weihnachten tagelang mit Auspacken beschäftigt, es entwickelte sich eine makabere Routine: „Gibt’s noch Geschenke?“.

Meine Vision ist ja: Kind bekommt ein bis drei schöne, größere Geschenke, packt aus, freut sich und beschäftigt sich damit. Was stattdessen passiert, ist, dass sich die Verwandtschaft trotz Bitte nicht beherrschen kann und ihren kleinen Liebling regelrecht mit Gaben überschüttet. Dann sieht das so aus: Kind packt aus, guckt kurz, guckt hoch und fragt: „Mehr?“. Und schon ist der Wirtschaft ein neuer, treuer Konsument gewachsen, der dann später vielleicht bei den Angeboten am Black Friday ordentlich zulangt.

Bevor ich ganz schwarz sehe: Wie handhabt ihr die weihnachtliche Geschenkeorgie?

20 Kommentare

  1. Wir feiern kein Weihnachten, weil wir keine Christen sind, aber zu unseren Festen gibt es pro Kind Geschenke für ca. 40€ von uns Eltern. Oft kaufen wir einfach neue Kleidung für die nächste Saison. Die Großeltern schenken für ca 15€ und von den Onkels gibt es je10-20 €. Da es viele Onkels sind, läppert sich das dann aber auch zusammen. Ich kaufe für unsere Neffen und Nichten Kleinigkeiten im er von ca. 10€.

    Vorletztes Fest (Ende Juli) haben wir gemeinsam beschlossen, gar nichts zu schenken, sondern die Kinder zu fragen, ob sie einverstanden sind, das Budget aller zusammen zu schmeissen und an eine Hilfsorganisation für Syrien und Palästina zu spenden. Mein Schwager hat das so wunderbar erklärt, dass wir alle Tränen in den Augen hatten und die Kinder haben bereitwillig zugestimmt. Das war das beste Fest von allen.

    Mehr als die Geschenke genießen die Kinder an dem Tag das Beisammensein mit der ganzen großen Familie. Die Erwachsenen schenken sich übrigens gar nichts. Ich bin froh, dass wir nicht so einen Stress haben deswegen.

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    1. Klingt, als kommen bei euren Festen auch weit mehr Menschen zusammen! Das finde ich ja eine tolle Spenden-Aktion von deinem Schwager bzw. der ganzen Familie – auch, dass die Kinder mit einbezogen werden. Die verstehen nämlich meist viel mehr als wir Erwachsenen denken und sind noch dazu weit idealistischer. – Bei uns hatte sich, bevor die Kinder kamen, eigentlich auch eine entspannte Festkultur mit Fokus weg von Geschenken auf das gemütliche Beisammensein entwickelt. Seit wieder Kinder im Haus sind, finde ich, die Geschenke nehmen beinahe überhand und als Eltern kann man das nur schwer steuern, v.a. wenn man höflich sein möchte.

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  2. Ich war, bzw bin Einzelkind, und bei uns haben sich die Pakete zu Weihnachten immer gestapelt. Ich habe mich damals schon darüber gefreut, aber 1000000000 Mal lieber hätte ich das alles mit einen oder mehreren Geschwistern geteilt. Daher schätze ich unsere Treffen immer sehr. (Mein Mann hat 6 Brüder 😀 ) Ich liebe diese große Familie einfach.

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  3. Die Familie meines Exmannes zieht übrigens immer Lose, wer wenn etwas schenkt, damit nicht jeder für jeden kaufen muss. (Sind auch viele)
    Das finde ich auch eine sehr gute Idee.
    Vlt kannst du sowas ja mal in eurer Verwandtschaft anregen.

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  4. Hallo Marlene!

    Wir haben schon seit vielen Jahren entschieden, dass die Erwachsenen einander nichts mehr schenken. Nur noch die Kinder bekommen etwas und bei meinen ist es meist so, dass sie so große Wünsche haben, dass alle zusammen zahlen um diesen einen Wunsch zu erfüllen.

    Z.B. ein Longboard für meinen Sohn, das kostet ca. 300 Euro. Meine Tochter bekommt dieses Jahr eine Waschmaschine (sie hat die erste eigene Wohnung und ist noch in Ausbildung)

    lg
    Maria

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    1. Hallo Maria,
      das klingt sehr vernünftig! Bei uns wird das schon teilweise so gehandhabt, mit Kindern und zwei Familien müssen wir nun eine neue Tradition finden 🙂
      Liebe Grüße,
      Marlene

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  5. Genau diese Frage stelle ich mir ja auch, wenn ich mir meine eigenen Einstellungen reflektiere: Was vermitteln wir unseren Kindern? Ich teile Deine Vision….
    Vielen Dank für’s verlinken und weiter-denken.

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    1. Gleichfalls Danke für die Inspiration – du hast ja schon wieder so einen schönen Konsumartikel geschrieben. Ich glaube, oft ist Shoppen ja leider auch eine (eher unpraktische) Art mit schlechter Laune oder Niederlagen klar zu kommen. Natürlich nicht an Weihnachten! Liebe Grüße & danke fürs Reinschauen, Marlene

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  6. Autsch ja, das ist Mist, wenn sich die Familie und Verwandten/ Freunde nicht an die Ein-Geschenk-rRegel halten. Da hilft ja fast nur noch Flucht! Bei uns funktioniert das ziemlich gut, auch, weil die Erwachsenen SEHEN, wie sich der Minimonsieur über die Geschenke freuen kann und auch, weil schon meine mutter bei uns damals die Rückmeldung von den Großeltern bekam: Deine Kinder freuen sich ja gar nicht über die Geschenke (klar, nach dem 20sten Geschenk ist die Freude aufgebraucht). Wie macht Ihr´s denn: schenkst Du auch viel oder hältst Du Dich selbst an die Ein-Geschenk-Regel? Und was denkst du über: „Zeit statt Zeug“.
    Ich wünsche Dir, dass Deine Ideen fruchten und Du wieder glitzerig sehen kannst 🙂
    Anne

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    1. Lieben Dank, ich bin gespannt auf dieses Weihnachtsfest, wir haben es noch einmal angesprochen. Wir selbst schenken max ein Geschenk den Kindern – aber ich gebe zu, wenn mir gerade was schönes einfällt, dann erfordert das wirklich einiges an Disziplin! Langfristig finde ich es aber besser. Und was nützt so viel Spielzeug, wenn es dann nicht bespielt wird?
      Liebe Grüße & danke für die Tipps,
      Marlene

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  7. Hallo Marlene, ich danke dir für diesen Artikel. Du hast so viel ausgesprochen, dass ich mir selbst im Angesicht des Weihnachtsstresses denke! V.A. dass kleinen Kindern um die 5 Jahre um hunderte Euro Plastikklump geschenkt wird … mein Neffe hat zum Geburtstag 120 Euro an Gutscheinen bekommen und durfte die ausgeben, er ist 5 Jahre alt! Das ist einfach nicht normal. Das ist Geld, das sie später hart erarbeiten müssen, Geld, mit dem so viele Dinge getan werden könnten. Ich bin 5 Dienste im Theater, um mir um so viel Geld Spielsachen zu leisten. Klar, andere verdienen einfach prozentuell viel mehr, aber das macht es nicht besser. Der Sinn von Weihnachten, sich über kleine Dinge zu freuen, wurde einfach ins Absurde verzerrt. Unter den Erwachsenen spielen wir jetzt Engerl-Bengerl – jeder kann sich über 1 Geschenk viele Gedanken machen. Das erleichtert die Kaufwut und das viele Nachdenken.

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    1. Hallo Katharina,
      das „Wichteln“ oder Engerl-Bengerl haben jetzt schon mehrere angesprochen, vielleicht sollte ich das mal vorschlagen. Mir selbst geht es immer so, dass mir für manche Leute richtig viele tolle Geschenke einfallen, über die sich die auch freuen würde und bei anderen gar keins. Und dann fühlt man sich ja irgendwie genötigt, den anderen auch was zu schenken. Ich schäm mich inzwischen aber auch nicht mehr für kleine selbstgemachte Dinge, z.B. Kuchen, der dann aufgefuttert wird. Weil Kinder sich aber über alles freuen, werden sie überhäuft, bis sie sich dann gar nicht mehr freuen können oder so unter dem Freu-Erwartungsdruck stehen, dass es nicht mehr schön ist bzw. sie verlernen, sich über einfache, normale, angemessene Geschenke zu freuen. Mit fünf Jahren so viel Geld! Das ist eine krasse Geschichte. Selbst, wenn man sich das leisten kann als Familie, sollte man sich über die Konsequenzen bewusst sein. Denn was vermittelt das denn bitte dem Kind?
      Lieben Dank für deinen Kommentar!
      Marlene

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      1. Das ist ja das Lustige – das Geld kam nicht von der Familie, sondern von den Freunden die zum Geburtstag kamen. 6 Kinder a 20 Euro Gutscheine … du kannst dir vorstellen! Ich wäre da als Elternteil extrem unzufrieden gewesen und hätte das vermutlich für mehrere Happen zurückgehalten … naja, diese Sachen kann ich mal machen, wenn ich selbst Elternteil bin 🙂

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