Blick aufs Land: Das Projekt Burgberg Posterstein will mit Bürgerengagement ein nachhaltiges Dorfleben schaffen

Blick aufs Land
Heute war ich in einem 450 Einwohner-Dorf in Thüringen, wo über 200 Leute zu einer Bürgerversammlung zusammenkamen, um sich über den Fortgang eines Regionalentwicklungsprojekts zu informieren. Es ging um das Projekt Burgberg Posterstein „Gemeinsam nicht Einsam: Entwicklung des Postersteiner Burgbergs zu einem Zentrum für Wohnen, Arbeiten, Kultur und Natur“, dessen erstes Konzept Antonia (@federviech und vom Blog „Förderband Nachhaltigkeit“) mit entwickelt hat. Aber mal von vorn:

Das historische Herrenhaus in Posterstein stand über 20 Jahre leer.
Das historische Herrenhaus in Posterstein stand über 20 Jahre leer.

Im Ort Posterstein gibt es nicht nur eine mittelalterliche Burg mit Museum, sondern auch ein ehemaliges Rittergut mit historischem Herrenhaus, das seit Anfang der 1990er Jahre einem Investor gehörte, der es aber ungenutzt leer stehen ließ. Auf einer Einwohnerversammlung vor einem halben Jahr wurden noch Stimmen laut, dass man etwas tun müsse, um das Gelände auf dem Burgberg ansehnlicher zu machen. Freiwillige Helfer begannen sich wochentags nach der Arbeit zur Parkpflege zu treffen. Dann bot sich plötzlich – erstmals nach über 20 Jahren – die Gelegenheit, das Ensemble zurückzukaufen. Es gründete sich ein Verein, in dem auch Vertreter der Gemeinde, die Landrätin, des Museumsvereins und Bürger der Gemeinde sind. Sie kauften das Herrenhaus, einen ehemaligen Pferdestall und die alte Gutsscheune zurück. Ein Konzept über die nachhaltige Nutzung dieser Gebäude entstand. Das Land Thüringen gab Gelder für eine Machbarkeitsstudie, die nötig ist, um Fördermittel zu beantragen. Darüber hinaus setzt man auf die Unterstützung der Bürger, auf Spenden und Sponsoren.


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Es geht um ein Konzept, das Leben auf dem Lande nachhaltig attraktiv zu machen. Im Groben geht es um die Förderung eines Zusammenlebens zwischen Jung und Alt, ein Zusammenspiel zwischen Arbeit und Freizeit, Selbstversorgung, nachhaltige Mobilitätskonzepte (ich sag nur: Car-Sharing, Fahrradwerkstatt, gemeinschaftlicher Fahrdienst) und Gemeinschaft. Das Ganze soll Hand in Hand gehen mit erweiterten Tourismuskonzepten für den Ort, der an wichtigen Radwanderwegen liegt und in den jährlich ohnehin schon 30.000 Besucher kommen.

„Das ist kein Schwachsinn, das ist der Anfang von irgendetwas.“

Für den Burgberg Posterstein gibt es ein ambitioniertes, nachhaltiges Konzept.
Für den Burgberg Posterstein gibt es ein ambitioniertes, nachhaltiges Konzept.

Heute gab es in Posterstein erstmals nach über 20 Jahren die Möglichkeit in das ehemalige Herrenhaus des Ritterguts, das in DDR-Zeiten als Kinderheim genutzt wurde, hineinzuschauen. Man konnte Baupläne für die Restaurierung ansehen und diskutieren, die Freiwillige Feuerwehr war mit der Gulaschkanone im Einsatz und es gab reichlich Gelegenheit zum Gespräch. Bei der Bürgerversammlung wurde unter anderem angeregt, mehr Sport- und Freizeitmöglichkeiten mit ins Konzept einzubauen. Sicherlich sollte nun eine intensive Zusammenarbeit und Beteiligung der Bürger vor Ort erfolgen, denn nur mit deren Unterstützung und der Akzeptanz vor Ort kann später ein funktionierendes Dorfleben mit Hofladen und Gemeinschaftsgärten, Repaircafé und Ferienwohnungen entstehen.

Im Vorbeifahren mit dem Fahrrad hörte ich eine Frau zu ihrem Mann sagen: „Das ist kein Schwachsinn, das ist der Anfang von irgendetwas.“ Der Satz trifft ins Schwarze. Ich finde es wahnsinnig spannend zu beobachten, wie und ob so ein ambitioniertes Projekt gelingen kann. All die aktuellen, modernen Keywords aus der nachhaltigen Regionalentwicklungsbranche in der Machbarkeitsstudie in allen Ehren. Fast gleichen Ansätze – ein Miteinander von Alt und Jung, kurze Wege zwischen Arbeit und Freizeit, Gemeinschaftsgärten, Selbstversorgung, den Burgberg als soziales, gemeinschaftliches Zentrum – gab es in Posterstein schon im Mittelalter. Vielleicht gelingt es den Bürgern, ein Stück dieser Tradition in moderner Form wiederzubeleben.

Logo-EiNaBWeil auch bürgerliches Engagement im lokalen Bereich eine Art sein kann, die Welt ein Stückchen nachhaltiger zu machen und ein Bewusstsein für grüne Problematiken zu schaffen, möchte ich den Artikel zu unserer Linkparade „einfach. nachhaltig. besser. leben.“ geben, die noch bis 9. Dezember hier im Blog stattfindet. Wer mitmachen will, fügt seinen Artikel (mit Link zum Blogparade-Aufruf) einfach hier ein.

14 Kommentare

  1. Liebe Marlene,
    danke für den Einblick! Ich wäre so gerne dabei gewesen heute in Posterstein. Es ist unheimlich spannend zu sehen, ob und wie es gelingt, einerseits die Buzzwords (Jung und Alt, Dorfzentrum, Hofladen, Mobilität, usw.) umzusetzen, die für die Fördermittelgeber so wichtig sind und andererseits den Leuten vor Ort die Chance zu geben, dass mit ihrem Dorf zu machen was sie sich wünschen und stemmen können (Buzzword Partizipation – was nützt ein Repaircafè, wenn es dann keiner vor Ort betreut und nutzt?)…Beides sind absolut notwendige Säulen für das gelingen eines solchen riesigen Projektes und dafür sind solche Veranstaltungen wie heute so wichtig, um beides miteinander in Einklang zu bringen. Ich wünsche Posterstein und dem wunderschönen altem Gemäuer so sehr, dass dieses Projekt gelingt, dass man einerseits nichts übers Knie bricht und die Bevölkerung vor Ort dabei vergisst, aber andererseits auch die Energie und Motivation die gerade da ist, nicht im Sande verlaufen lässt.
    Nachhaltig ist die Projektidee allemal. Denn Posterstein ist absolut strukturschwache Region und wird in Zukunft nur eine Chance haben und nicht veröden, wenn es sich um seine Infrastruktur gemeinsam mit allen Beteiligten kümmert. Ansonsten wird es auf ewgi abhängig sein von Subventionsgelder, Wirtschaftsförderungsmaßnahmen usw.

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    1. Ich hoffe auch wirklich, dass es nicht das letzte Bürgertreffen / Tag der offenen Tür war. Eigentlich müsste regelmäßig ein Austausch mit den Leuten vor Ort stattfinden, wenn man auf eine breite Unterstützung hoffen will.

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      1. Auf jeden Fall. Eigentlich war das im Konzept doch auch so angefacht. Oder ist das weggefallen? Ich bin überzeugt, dass ohne die Bewohner vom Dorf das ganze an die Wand fährt. Man muss die schon fragen, was die überhaupt brauchen, wollen und wofür sie sich engagieren würden. Denn ohne freiwillige läuft ja dann gar nichts. Da kann das Herrenhaus noch so schön renoviert sein. Wenn die Postersteiner es dann nicht mit Leben füllen, ist das ganze doch sinnlos.

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    1. Oh wie schön, danke für die Rückmeldung! Ich bin mir immer sehr unsicher, ob Projekte vorstellen gut in unseren Blog passt, aber letztlich hab ich mich dafür entschieden, einfach ganz frei loszubloggen, was mich gerade interessiert. Ich werde das Projekt auf jeden Fall weiterverfolgen. Man kann es ja auch als eine Art Modellprojekt sehen, was man dann auch auf andere kleine Orte übertragen kann. Leer stehende historische Gebäude, die eine neue Bestimmung brauchen, um erhalten werden zu können, gibt es ja überall…
      Viele Grüße,
      Marlene

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      1. „ganz frei losbloggen“ – ja, das mache ich auch; ich mag selbst als Leserin Mix-Blogs lieber als streng thematisch fixierte. Wenn etwas nicht interessiert – ich muß ja nicht jeden Beitrag lesen!! Und manchmal hat sowas den Nebeneffekt, daß man LeserInnen ganz unvermutet für neue Themen interessieren kann 🙂

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      2. Es muss ja letztlich auch noch Spaß machen, hab ich mir gedacht. Die wenigsten von uns werden ihre Bloggerei ja professionell betreiben und wenn es ein Hobby ist, soll man sich ruhig seine Bloggerfreiheit bewahren. Du hast recht, es gibt ja ganz klar auch noch die „Leserfreiheit“ 😉

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    1. Hallo Misses Hippie,
      in letzter Zeit fallen mir immer mehr solche kleinen sozialen, nachhaltigen Initiativen vor Ort auf. Es gibt sie und das freut mich jedes Mal! Bestimmt gibt es auch bei dir in der Nähe so etwas, wo man im Kleinen gemeinsam etwas ein Stückchen nachhaltiger machen kann.
      Viele Grüße,
      Marlene

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      1. Da fällt mir auch gerade was ein. In der nähe gibt es einen gemeinschaftshof. Ich muss mal fragen was daraus geworden ist. Aber mehr interessieren mich Projekte wie deines hier wo man Leben Arbeiten Freizeit Nahrungsanbau etc. verbindet. Ich halte die Augen offen

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      2. Das Schöne – aber auch die Herausforderung – bei diesem Projekt ist, auch die Menschen, die sich vorher noch gar keine Gedanken über Nachhaltigkeit gemacht haben, mitzunehmen und zu begeistern. Das kann man hoffentlich, wenn man es schafft, das ganze zu etwas geselligen und auch praktischen zu machen. Na ich bin gespannt, wie es damit weitergeht!

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